Medienkonsum – wie gefährlich sind Fernsehen und Co. wirklich?

Leonie ist 3, sie kann noch nicht lesen und schreiben, aber ein Smartphone bedienen und Youtube öffnen. Sie ist eine von rund 1,2 Millionen Kindern zwischen 3 und 8 Jahren, die laut einer aktuellen deutschen Studie regelmäßig im Internet unterwegs ist.

Dort werden Serien und Filme geschaut, Spiele gespielt, Fotos gemacht und Videos gedreht.

20% der Achtjährigen nutzen bereits Facebook und WhatsApp um sich mit Freunden auszutauschen, obwohl die Software in diesem Alter noch nicht erlaubt ist.

Wer jetzt glaubt, 3 Jahre sei früh, irrt sich gewaltig, denn die modernen Medien haben auf unsere Kinder einen noch viel früheren Einfluss. Wenn Sie in einen Spielzeugladen gehen, finden sie bereits dort Greiflinge, die dafür gebaut sind, dass bereits Kinder ab 6 Monate in der Lage sind, ein Smartphone zu halten – und nicht etwa, damit die Mama auch während des Wickelns keine eingehenden Nachrichten verpasst, sondern um bereits den Säugling selbst an diese Technologie heranzuführen. Dazu passend gibt es Empfehlungen für Apps und Videos für dieses Alter.

Aber welchen Einfluss haben diese neuen Medien eigentlich auf unsere Kinder? Ist der Konsum gefährlich bzw. gibt es eigentlich Richtlinien für einen altersgerechte Nutzung?

Genau darüber machen sich knapp die Hälfte aller Eltern Sorgen und das nicht ohne Grund:

Das passiert im Gehirn von Kindern

Das Gehirn ist die Steuerzentrale des Körpers. Es verarbeitet alle Sinneseindrücke und Informationen des Körpers und sendet Befehle und Botschaften in alle Bereiche des Körpers zurück. Damit beginnt es bereits vor der Geburt und die gesamte Hirnentwicklung ist erst nach der Pubertät mit ca. 20 Jahren abgeschlossen.  

Kinder brauchen für den Aufbau der wichtigsten neuronalen Schaltkreise im Hirn, so die aktuelle Forschung, vor allem eigene Körper- und Sozialerfahrungen. Und genau diese werden eben nicht vor dem Fernseher oder am Smartphone gesammelt, denn sobald es dort sitzt und hineinschaut benutzt es lediglich seine Augen und Ohren – alle anderen Sinnesempfindungen werden nicht gebraucht. Es spürt seinen Körper nicht mehr. Auf diese Weise werden nicht nur die Wahrnehmung, das Raum- und Zeitempfinden und die Gefühlswelt des Kindes verändert, sondern auch das Gehirn.

Vor dem Fernseher werden bereits kleine Kinder der Erfahrung beraubt, dass sie etwas gestalten können – eine Erfahrung, die für Kinder von äußerster Wichtigkeit ist: die Mama zum Lächeln zu bringen, etwas Greifen oder fallen lassen, Geräusche nachmachen und eine Reaktion darauf bekommen und eine Reaktion darauf zu bekommen.

Wenn Sie ein kleines Kind das erste Mal vor einen Bildschirm setzten, können sie beobachten, dass es noch mit dem Gerät spricht. Es antwortet der Figur im Fernsehen oder stellt Fragen, d.h. es versucht etwas zu gestalten. Nach einigen Wochen Medienkonsum resignieren die meisten Kinder. Sie stellen also einen Teil ihrer Selbstwirksamkeit in Frage.

Worin besteht die Gefahr von Medien?

Kinder sind von Geburt an neugierig. Sie wollen die Welt erforschen und nutzen dazu ab ungefähr dem dritten Lebensjahr viele Fragen. Oft beginnt es mit: „Was ist- und Was macht- Fragen“ und steigert sich bis hin zu den teilweise ganz schön herausfordernden „Warum- Fragen“.
Im Zuge der neuen Medien können wir die Fragen unserer Kinder oftmals viel besser und leichter beantworten, als das noch vor über 10 Jahren der Fall war, denn das Internet haben wir überall und stets dabei. Wir brauchen also einfach die Frage unseres Kindes ins Smartphone tippen und schon erscheint die Antwort – viel besser noch, denn meistens finden wir gleich dazu ein kindgerechtes Video, was wir unserer/unserem kleinen ForscherIn zeigen können. Wir nutzen also hier das Fernsehen/ Smartphone als Werkzeug, um uns Wissen anzueignen.

Darüber hinaus geben viele Eltern ihr Handy dem Nachwuchs aber zusätzlich in Momenten, in dem sie anderweitig beschäftigt sind, also z.B. in die Küche gehen zum Kochen oder unter die Dusche. Auch beim Arzt im Wartezimmer lassen sich immer mehr Kinder beobachten, die in Mamas Smartphone schauen, um die Zeit zu verkürzen. Nicht zuletzt drehen Eltern ihren Kindern beim Essen, vor allem in Restaurants Youtube auf, damit sie in Ruhe speisen können und das Kind die anderen Gäste nicht stört.

Eine solch intensive Nutzung digitaler Medien kann bei Kindern zu Entwicklungsstörungen führen. Laut einer deutschen Studie reichen die Risiken demnach von Fütter- und Einschlafstörungen bei Babys über Sprachentwicklungsstörungen bei Kleinkindern bis zu Konzentrationsstörungen im Grundschulalter. Je höher der Medienkonsum ist, desto ausgeprägter treten laut Kinder- und Jugendärzten die genannten Auffälligkeiten auf.

Ganz besonders gefährlich ist die Nutzung digitaler Medien dann, wenn sie dazu benutzt werden, eigene Gefühle zu regulieren. Dann wird der Fernseher eingeschaltet, um ungute oder unangenehme Gefühle, wie Langeweile, Frust und Wut „verschwinden“ zu lassen.

Übrig bleiben Kinder, die nicht ausreichend gelernt haben, sich mit den eigenen Emotionen auseinanderzusetzen, sie auszuhalten und zu verarbeiten. Die nicht in der Lage sind, ihre eigenen Gefühle zu regulieren und sich unter Kontrolle zu bekommen. Sie werden abhängig vom Bildschirm. Dieser bietet ihnen eine Ersatzbefriedigung, was sie in der Realität nicht finden konnten: Selbstwirksamkeit beim Lösen von Problemen, überschaubare Regeln, erfahrbare Grenzen und erreichte Ziele. So schaffen digitale Medien ein Ersatz-Glück, dass das Belohnungszentrum im Hirn effizient aktiviert.

Dramatisch wird es dann, wenn ein Kind seine Zeit lieber vor dem Fernseher oder Computer verbringt, als seinen natürlichen Bedürfnissen nachzugehen, draußen herumzurennen und mit anderen zu spielen.

Wie kann ich mein Kind schützen?

Spätestens dann, wenn sie feststellen, dass ihr Kind seine Zeit lieber vor dem Fernseher oder Computer verbringt, als seinen natürlichen Bedürfnissen nachzugehen, draußen herumzurennen und sich mit Freunden zu treffen und zu spielen, sollten sie aktiv werden.

Vorbildfunktion

Eltern sind Vorbilder und dieser Funktion sollten sie sich stärker bewusst werden. Das, was Kinder zu Hause erleben, ist für sie Normalität:

Achten sie gerade in Gegenwart ihrer Kinder auf den eigenen Medienkonsum. Wer ständig auf sein Smartphone schaut und darauf herumtippt, lebt seinen Kindern vor, dass dieses Gerät etwas sehr Wichtiges und Faszinierendes ist und viel Aufmerksamkeit bekommen muss.

Wenn sie ihr Gerät auch beruflich immer wieder nutzen, vergessen sie nicht, dass Kinder meistens noch nicht unterscheiden können, ob Mama oder Papa gerade arbeitet, auf Facebook oder Instagram unterwegs ist oder z.B. mit einer/einem FreundIn schreibt.

Das Umdenken ist anfangs gar nicht so leicht, aber Kinder lernen eben hauptsächlich durch Nachahmung.

Deshalb folgende Tipps:

  • Richten sie sich feste Zeiten ein, zu denen sie nicht erreichbar sind (Mittagessen, Abendessen, Nachtruhe) sonst denken ihre Kinder ohne Smartphone geht es nicht und zwar vom Aufstehen bis zum Schlafengehen.
  • Vereinbaren sie mit ihrer Familie einen Medienfreien Tag und unternehmen sie gemeinsam etwas im wirklichen Leben
  • Wenn sie ihr Kind mit dem Handy fotografieren. Tun sie das nur, um sein Leben zu dokumentieren und lassen sie es nicht für soziale Medien „posen“

Nein sagen

Natürlich ist es bequem, das eigene Kind sonntags morgens vor den Fernseher zu setzten, damit ich einmal ausschlafen kann und natürlich ist es auch einfach dem Wunsch nach Computerspielen nachzugeben, wenn mein Kind schon längere Zeit über Langeweile klagt.

Aber genau mit diesen Ausnahmen fängt der Teufelskreis oft an.

Deshalb meine Empfehlung:

Trauen sie sich Nein zu sagen und schaffen sie Alternativen

  • Nehmen sie zum nächsten Arzttermin doch einfach mal wieder ein paar Bücher mit und lesen ihrem Kind vor.
  • Überlegen sie mit ihrem Kind gemeinsam, was es für den Restaurantbesuch einpacken mag, wenn ihm dort fad wird (vielleicht sind Malsachen eine nette Alternative).
  • Minimieren sie den Fernseh- / Handykonsum auf ein Minimum und bleiben sie dabei

Geräte als Leihgabe

Schenken sie ihrem Kind kein eigenes Smartphone oder Tablet, sondern nutzen sie lieber gemeinsam ein Familienhandy/ -tablet, dass sich ihr Kind ausborgen kann.

Auf diese Art und Weise können sie die Nutzungsdauer und -zeiten mitbestimmen, denn Kinder können bis zur Pubertät in keinster Weise die Gefahren und Auswirkungen des Konsums einschätzen. Dazu brauchen sie die Führung einer/eines liebevollen aber klaren Erwachsenen.

Zum Abschluss möchte ich alle Eltern ein Zitat mitgeben:

Kinder brauchen Aufgaben, an denen sie wachsen und neue Erfahrungen machen können. Sie brauchen auch Anregungen und neue Gelegenheiten, um ihre sportlichen oder künstlerischen Talente zu entwickeln und Eltern, die ihnen Liebe, Geborgenheit und Orientierung geben. Das sind die wirklichen Säulen für eine glückliche Kindheit. (Prof. Dr. Gerald Hüther)

Neugierig, mehr zu lesen?
Dann schau dir doch einfach noch meine anderen Blogartikel „Handysüchtig???“ oder „Fernsehen, Computer und Co in dern Ferien“ an.

Du kannst mir natürlich bei Fragen auch direkt schreiben und/oder mir Feedback geben. Schreib dazu einfach eine mail an: office@beziehungsorientiert.at oder vereinbare gleich ein kostenloses Erstgespräch mit mir!

Deine Heike

Heike Podek | Erziehungswissenschaftlerin, Coach und Gründerin von beziehungsorientiert.at

Ich glaube, dass Erziehung ohne den Einsatz von Angst und Macht funktionieren kann. Ich will ich einen beziehungsorientierten Umgang mit meiner Familie leben, in der sowohl die Bedürfnisse unserer Kinder, als auch unsere elterlichen Bedürfnisse Platz und Raum haben.

Heike Podek | Erziehungswissenschaflerin, Coach und Gründerin von beziehungsorientiert.at

Ich glaube, dass Erziehung ohne den Einsatz von Angst und Macht funktionieren kann. Ich will ich einen beziehungsorientierten Umgang mit meiner Familie leben, in der sowohl die Bedürfnisse unserer Kinder, als auch unsere elterlichen Bedürfnisse Platz und Raum haben.