Magª Heike Podek in der All4family 02/2016 zum Thema: „Trotzphase überleben – Autonomie fördern“

„Julian (3) schmeißt sich im Supermarkt auf den Boden, brüllt mit hochrotem Kopf oder schlägt um sich, weil etwas nicht so läuft, wie er sich das vorstellt…“

Er ist, wie alle Kinder seines Alters in der Trotzphase.

Nachdem sie ihre Gefühle in diesem Altern noch nicht mit Worten ausdrücken können, zeigen die meisten Kinder uns ihr Unwohlsein, indem sie hauen, kratzen, kneifen, treten, beißen und schreien.

Einige begnügen sich damit, lediglich zu Hause bei den Eltern aufzufahren, andere ziehen regelmäßig auf der Straße, beim Einkaufen oder im Kindergarten durch ihre heftigen „Zornanfälle“ die Blicke anderer Leute auf sich.

Aber dürfen Kinder das?

Früher war man der Ansicht, dass man das Verhalten dem Kind keinesfalls durchgehen lassen dürfe. Man sprach davon, dass Kinder in der Trotzphase mit diesen Anfällen bewusst Grenzen austesten wollen. Um dem Entgegenzuwirken wurde zu Konsequenz und Autorität geraten.

Später ging man dazu über, diese Anfälle bewusst zu ignorieren und mit Nichtbeachtung oder Auszeiten zu bestrafen.

Mittlerweile jedoch wurde erkannt, dass die Trotzphase einen wichtigen Schritt in der Entwicklung von Kindern kennzeichnet.

Die Autonomiephase

Die sogenannte Trotzphase ist eine natürliche Entwicklung innerhalb der Autonomieentwicklung von zwei bis dreijährigen Kindern, in der sie sich aus der kompletten Abhängigkeit ihrer Eltern befreien und sich zu einem unabhängigen Individuum entwickeln.

Der Beginn dieser Phase macht sich meist dadurch bemerkbar, dass Kinder die Hilfe ihrer Eltern und anderer Personen deutlich abwehren mit Worten wie: „Ich kann das alleine…“, „Selber machen“ o.ä.. 
Darüber hinaus zeigen sie ihre täglichen Frustrationen über Dinge, die sie noch nicht können, darüber nicht verstanden zu werden oder etwas nicht zu dürfen, das sie unbedingt wollen mit heftigen Wutanfällen.

Und genau diese Wut ist auch das zentrale Gefühl eines Kindes, dass sich in der Autonomiephase befindet: äußerlich und innerlich steht das Kind unter „Hochspannung“.

Tränen und Gebrüll sind ein Ventil, diese Spannung auszuhalten.

Die Entstehung von Wut wird durch ein Hormonchaos begünstigt, ein veränderter Stoffwechsel sorgt dazu für Stimmungsschwankungen. Kinder ermüden schneller, lassen in der Konzentration nach und sind launenhaft.

Je mehr Eltern in dieser Zeit Widerstand leisten, ebenfalls mit Trotz reagieren, Grenzen setzen und versuchen einzugreifen, umso mehr Machtkämpfe wird es geben.
Es ist ziemlich einfach ein zweijähriges Kind zu „brechen“, um es nett, sanft und gehorsam bzw. brav zu machen – den Preis dafür aber zahlen ALLE.

Wie also damit umgehen, wenn mein Kind, wie im oben genannten Beispiel schreit, tobt und „auszuckt“?

Kinder brauchen in dieser Zeit vor allem eins: Eltern, die sie wertschätzen und anleiten.
Betrachte die wachsende Unabhängigkeit deines Kindes als Geschenk – nicht als Problem! Kinder möchten in dieser Phase sicher sein dass sie von ihren Eltern noch immer geliebt und angenommen werden – besonders wenn sie durch ihre erlebte Frustration aus der Bahn geworfen werden. Deine wichtigste Botschaft an dein Kind sollte sein: „Du bist o.k., so wie du bist und ich liebe dich.“

Tipp 1: Nimm das Verhalten deines Kindes nicht persönlich!

Sei dir gewiss: die Wut und das damit verbundene Verhalten ist nicht gegen dich als Mutter oder Vater gerichtet – selbst dann nicht, wenn dein Kind in einem Trotzanfall nach dir haut oder tritt. Es ist seine noch nicht vorhandene Fähigkeit mit dem Gefühl der Frustration umzugehen, die dein Kind so zornig macht.

Tipp 2: Mehr Zeit einplanen

Weil die Kinder in dieser Zeit nahezu alles alleine machen und bestimmen wollen, dauert es oft deutlich länger, bis man das Haus verlassen kann. Gerade die Morgensituation verlangt Eltern einiges an Geduld ab (Aufstehen, Zähneputzen, Gewand selber aussuchen und anziehen, Frühstück etc.). Deshalb macht es Sinn für jeden Termin grundsätzlich eine viertel, besser noch eine halbe Stunde mehr einzuplanen. Das reduziert den Druck massiv, der sonst dazu führt, dass wir nervös werden und beginnen unser Kind anzutreiben. Dieses spürt die Anspannung und nicht selten eskaliert die Situation. Schon 15 Minuten mehr wirken hier oft wahre Wunder und verhelfen uns, entspannt bei unserem Termin, bei der Arbeit, im Kindergarten anzukommen.

Tipp 3: Verbalisieren

Da Kinder ihre Wut im Alter von 2-3 Jahren generell noch nicht in Worte fassen können, benutzen sie die für sie beste Möglichkeit, ihren Zorn auszudrücken – ihre Stimme, Fäuste und Füße. Das Hauen, Schreien, zwicken oder treten deines Kindes bedeutet also in der Regel nicht anderes, als, dass es ihm in dem Moment nicht gut geht, frustriert ist und/oder sich nicht geliebt fühlt, so wie es ist.

In solchen Momenten ist es hilfreich, dein Kind dabei zu unterstützen, seine Wut in Worte zu fassen. Auf diese Weise lernt es nach und nach, über seine Gefühle zu sprechen, anstatt sie mit Händen und Füßen auszuagieren. Du kannst also entweder den Grund für den Ärger offen ansprechen, z.B.: „Du ärgerst dich gerade, weil dein Turm schon wieder umgefallen ist…“ oder, „Ich kann verstehen, dass du traurig bist. Du wolltest so gerne noch länger Fernsehen, aber es geht wirklich nicht.“ oder wenn der Grund nicht so offensichtlich ist, kannst du einfach etwas sagen, wie: „ Oje, du bist aber wütend. Ich wüsste gern, was dich so zornig gemacht hat. Kannst du mir das sagen?“

Auf diese Art und Weise signalisierst du deinem Kind, dass du da bist, egal, worüber es sich gerade geärgert hat. Gleichzeitig gibst du dem erlebten Frust einen Namen und deinem Kind dadurch Orientierung innerhalb seiner heftigen Gefühlswelt. Es wird in Zukunft seine Gefühle einordnen und benennen und somit auf „Zornanfälle“ verzichten können

Tipp 4: eigene Grenzen klarmachen

Verständnis aufzubringen und für sein Kind in dieser Zeit besonders da zu sein, es zu begleiten und zu unterstützen, bedeutet jedoch nicht, deinem Kind alle Wünsche zu erfüllen, um nur ja einen Wutanfall zu verhindern.

In meiner Praxis erlebe ich es immer wieder, dass Eltern bewusst auf etwas verzichten oder Dinge tun, die sie eigentlich nicht machen wollten, nur um das Schreien, Hauen oder den bekannten „Auftritt im Supermarkt“ ihres Kindes zu vermeiden.

Wenn dein Kind dich haut, tritt oder beißt, überschreitet es ganz klar deine Grenze und das musst du weder tolerieren noch aushalten. In diesem Moment ist es ganz wichtig, dass du dich selber abgrenzt.

Wichtig dabei ist, dass du das auf eine Art und Weise tust, die dein Kind nicht in seinem Wert verletzt. Gleichzeitig kannst du deinem Kind Alternativen für sein Verhalten anbieten. Das Ganze könnte also z.B. so aussehen: „Aua, das hat mir wehgetan. Ich will nicht, dass du mich  haust. Versuch bitte das nächste Mal mich zu schieben oder laut zu rufen, wenn du den Eindruck hast, ich habe dich nicht gehört.“

Tipp 5: Dabei bleiben

Schick dein Kind nicht weg, wenn es zornig und wütend bist, denn damit signalisierst du ihm, dass seine Gefühle nicht in Ordnung sind. Bleib dabei und zeig ihm, dass du seine Emotionen verstehst. Hilf ihm, Worte zu finden und unterstütze dein Kind dabei, Wege aus dem Ärger zu finden.

Letztendlich kann es natürlich auch passieren, dass du als Elternteil die Fassung verlierst, weil dich dein Kind gerade in der Trotzphase oft genug an deine Grenzen bringt. Dann kann es passieren, dass du dein Kind anschreist. Das ist völlig normal und geht auch anderen Eltern so. Wichtig in einer solchen Situation ist es, anschließend die Verantwortung zu übernehmen, deinem Kind zu sagen, dass du überreagiert hast, es dir leid tut und dann Vergib dir selber!

Solltest du merken, dass es dir öfter passiert, dass du dein Kind anschreist, du dich überfordert und/oder hilflos und ohnmächtig fühlst, dann scheu dich nicht davor, dir Unterstützung zu suchen. Manchmal reicht schon ein email, ein Telefonat oder ein paar Coaching Sitzungen aus.

Ich hoffe, Dir hat mein Artikel gefallen! Besonders ans Herz legen möchte ich Dir meine Artikel zu den Themen Wut und Aggression, Konflikte und Schulprobleme.

Wenn Du Unterstützung bei Erziehungsproblemen suchst, schau Dir mein Angebot an. Egal ob Trotzphase, Pubertät, Schulprobleme, … ich biete Live-Coaching, eMail-Coaching und eMail-Kurse als Hilfestellung an. Die eMail-Kurse zu den Themen „Trotzphase“ und „Hilfe- mein Kind will nicht hören“ sind besonders beliebt.

Du kannst mir natürlich auch direkt schreiben und ich freue mich auch über Feedback zu meinem Artikel!

Deine Heike

Heike Podek | Erziehungswissenschaftlerin, Coach und Gründerin von beziehungsorientiert.at

Ich glaube, dass Erziehung ohne den Einsatz von Angst und Macht funktionieren kann. Ich will ich einen beziehungsorientierten Umgang mit meiner Familie leben, in der sowohl die Bedürfnisse unserer Kinder, als auch unsere elterlichen Bedürfnisse Platz und Raum haben.

Heike Podek | Erziehungswissenschaflerin, Coach und Gründerin von beziehungsorientiert.at

Ich glaube, dass Erziehung ohne den Einsatz von Angst und Macht funktionieren kann. Ich will ich einen beziehungsorientierten Umgang mit meiner Familie leben, in der sowohl die Bedürfnisse unserer Kinder, als auch unsere elterlichen Bedürfnisse Platz und Raum haben.